Wer schon einmal versucht hat, einen Fehler in einer Software zu finden, der weiß, dass Computer noch sehr weit davon entfernt sind, intelligent zu sein. Selbst die besten Softwareentwicklungstools können dem Programmierer nur sehr selten dabei behilflich sein, auch nur die einfachsten Fehler zu finden. Wenn wieder einmal, wie gerade geschehen, davor gewarnt wird, dass die Maschinen und Computer bald intelligenter werden könnten als die Menschen, dann liegt dem ein sehr enger Begriff von Intelligenz zu Grunde.
Man stelle sich einmal vor, man würde einen Computer damit beauftragen, aus den Aussagen von Anwendern die Anforderungen an eine Software abzuleiten und eine Software zu entwerfen, mit der diese Anwender vernünftig arbeiten können. Das wäre intelligent. Aber Anforderungsanalysten, Softwarearchitekten und Entwickler haben wohl kaum Sorge, dass ihnen diese Arbeit demnächst von den Computern selbst abgenommen wird. Noch immer müssen wir ihnen alles haarklein vorschreiben. Sie verstehen nicht, was die Benutzer wollen oder brauchen, sie verstehen nicht, wie ein benutzerfreundlicher Dialog aussieht. Selbst den besten Big-Data-Algorithmen muss man alles vorschreiben, sie merken nicht von selbst, wenn sie einen Fehler machen, sie sehen nicht, dass ein falsch berechneter Wert niemals Stimmen kann, es sei denn, ein pfiffiger Programmierer hat das Problem vorweggesehen und eine geeignete Plausibilitätsprüfung im Code vorgesehen. Kein Softwaresystem zeigt auch nur die Spur von Intelligenz, es ist die Intelligenz seiner Designer und Entwickler, die im Code zu finden ist.
Es ist eben gerade keine Intelligenz, dass die Computer schneller Daten auswerten und danach komplexe Reaktionen auslösen können – und sie treffen dabei auch keine Entscheidungen. Die Entscheidungen haben diejenigen getroffen, die die Algorithmen ausgedacht und in Software abgebildet haben – auch wenn denen nicht jede Entscheidung, die sie damit schon vorgegeben haben, bewusst ist.
Intelligenz, das heißt, Lösungen für neue, noch unbekannte Probleme zu finden, dazu gehört Kreativität, Intuition, Phantasie und Einfühlungsvermögen. Das alles ist Computern fremd.
Technik sollte schon immer schneller, exakter und zuverlässiger sein als der Mensch. Das galt schon für antike Bewässerungssysteme. Und schon immer wurde durch Technik menschliche Arbeit ersetzt. Aber der Mensch wurde dabei eben schon immer von den Arbeiten befreit, die eben keine Intelligenz erforderten. Und das gilt auch noch immer für die Großcomputer, die uns heute von der bloßen Abarbeitung der mühseligen Entscheidungsverfahren befreien, die andere sich ausgedacht haben.
Es ist auch nichts Neues, dass wir uns durch lebenslanges Lernen darauf einstellen müssen, dass uns Maschinen die Dinge abnehmen, die noch vor Jahrzehnten durch Menschen zu erledigen waren. Dass wir insgesamt dabei weniger für die Menschen zu tun haben werden ist ein Trugschluss, der nun auch schon viele Jahrzehnte alt ist. Jeder Einsatz von Technik schafft neue Möglichkeiten für die wirklich menschliche Intelligenz – und die kam bisher immer auf Ideen, die eher mehr als weniger Arbeit mit sich brachten. Die einzige Gefahr, die vielleicht wirklich droht, ist die, dass wir glauben, keine umfassende Bildung mehr zu benötigen, denn die ist die Voraussetzung dafür, dass wir uns immer wieder mit unseren jeweiligen Fähigkeiten auf die veränderten Bedingungen einstellen können. Umfassende und vielseitige Bildung ist das Fundament unserer Intuition und unserer Kreativität. Die brauchen wir beim Einsatz der Systeme, die wir geschaffen haben, beim Ausdenken und Entwickeln neuer Systeme und schließlich auch dafür, uns neue Ziele zu setzen. Solange die uns nicht ausgehen, brauchen wir vor der “Intelligenz” der Computer so wenig Angst zu haben wie vor der “Geschicklichkeit” eines Webstuhls.
»Intelligenz, das heißt, Lösungen für neue, noch unbekannte Probleme zu finden, dazu gehört Kreativität, Intuition, Phantasie und Einfühlungsvermögen. Das alles ist Computern fremd.«
Das ist schlicht eine normative Setzung – aus der dann alles andere folgt. Wer sieht, wie Computer selber Strategien in Spielen lernen können, also ein ihnen neues Problem lösen und sich dabei besonders in die Strategien menschlicher Mitspieler einfühlen können, hat wohl große Zweifel, ob diese Aussage stimmt.
Dieser Begriff von Intelligenz ist keineswegs normativ, es ist vielmehr der Versuch, “Intelligenz” zu beschreiben ohne unsere Vorfahren, die nicht die mathematisch-naturwissenschaftlich-logische Form von Rationalität nutzten, vom intelligenten Verhalten auszuschließen. Man braucht einen Intelligenz-Begriff, der auf alle menschlichen Kulturen und Zivilisationen anwendbar ist.