Was tun gegen die Ausspäh-Praktiken der Geheimdienste? In der heutigen Ausgabe der FAZ spricht sich der Blogger und IT-Sicherheitsexperte Felix von Leitner gegen die Schaffung eines mehr oder weniger abgeschotteten Euro- oder Schengen-Netzes aus, auf das die amerikanischen und britischen Geheimdienste keinen Zugriff hätten. Und er hat Recht: Ganz davon abgesehen, dass die “üblichen Verdächtigen” via Kooperation mit BND, Verfassungsschutz und Freunden auch in ein solches Netz Eintritt fänden, wäre die Schaffung dieser Infrastruktur einschließlich Nameserver, Suchmaschinen, Verkaufsplattformen und Social Networks ein solches Mega-Monster-IT-Projekt, dass das Scheitern unter behördlicher Aufsicht und Steuerung schon vorprogrammiert wäre. “Die Aufträge gingen an Großkonzerne, die mehr Geld für Lobbyisten als für gutes Personal ausgeben.” schreibt von Leitner völlig richtig, am Schluss entstünde, wenn überhaupt, etwas, was niemand wirklich haben möchte und die Nutzer nur noch enger an die (dann eben europäischen) Monopolisten bindet
Ich selbst hatte vor einigen Tagen in die gleiche Richtung wie von Leitner argumentiert, als es um die Planungen der “Großen Koalition” zum Ausbau des schnellen Internet ging:
Es steht zu befürchten, dass die Milliarde in den bürokratischen Apparaten der Konzerne verdampft, versickert und zerrieben wird, die nicht viel vollbringen und am Ende nur ihre Monopolstellung ausbauen, mit der sie den Bürgern und Unternehmen dann Verträge aufzwingen, die weder deren Bedürfnisse entsprechen, noch ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
Die nächsten großen Ausbauschritte in Europa gehören in die Hände des innovativen Mittelstandes. Gemeinsam mit ihren Kunden werde sie nützliche Lösungen schaffen, auf lokaler und regionaler Ebene, oder ausgerichtet an den Kundenbedürfnissen, die auch überregional tätige Mittelständler sehr gut kennen, weil sie immer nah dran sind. Verpflichtung auf klare Schnittstellen und Transparenz der Lösungen (Stichwort Open Source) führt dazu, dass die Systeme zusammenpassen und gut funktionieren. Das hat von Leitner schön beschrieben. So entstünden Systeme, die transparent, flexibel und austauschbar sind und damit Überwachung von wem auch immer zwar nicht verhindern, aber doch erschweren.
Aber eine solche Neuausrichtung der IT-Industriepolitik klingt zwar schön und plausibel, sie ist aber bei den derzeitigen politischen Verhältnissen so visionär wie unrealistisch. Wir haben in Europa keine Regierungen, die die Potenziale der gut vernetzten mittelständischen Wirtschaft wirklich erkennen. Trotz vieler schlechter Erfahrungen und scheiternder Großprojekte setzt die Politik ihre Hoffnungen immer wieder in das Management gigantischer Großkonzerne. Flexibilität und Innovationskraft mittelständischer Unternehmen werden ebenso wenig genutzt wie die zumeist wesentlich günstigeren Kostenstrukturen.
Dabei würden auch die Verwaltungen der öffentlichen Stellen wie der der beteiligten Großunternehmen von einer gleichberechtigten Kooperation mit Mittelständlern profitieren. Kann man doch in einer solchen Zusammenarbeit sehr gut praktisch erkunden, wo Flexibilität und Spontanität Prozesse wirklich beschleunigen ohne dass die Qualität des Ergebnisses leidet.
Aber das ist kein Grund zum Verzweifeln. Der Mittelstand muss nur lernen, seine eigene Lobbyarbeit zu machen. Unternehmensnetzwerke können dabei eine große Rolle spielen, auch die Industrie- und Handelskammern. Und vielleicht finden sich auch in den kleineren politischen Parteien ein paar wache Köpfe, die ihre eigene politische Chance in der Unterstützung des Mittelstands suchen. Schließlich ist der wenigstens in Deutschland Fundament und Motor der ganzen bisherigen Wirtschafts-Erfolgsgeschichte.