Immer wieder meldet sich irgendein Ökonom zu Wort der fordert, endlich das Bargeld abzuschaffen. Schon Anfang des letzten Jahres hatte es solche Überlegungen gegeben, und im Sommer waren sie erneut laut geworden. Begründet wird die Idee immer wieder mit den gleiche Argumenten: Die Finanzpolitik wäre flexibler, und Kriminelle könnten besser gejagt werden.
In der Tat sind die technischen Infrastrukturen weltweit in den letzten Jahren so ausgebaut worden, dass wir fast überall und bald jeden Betrag bequem per Kreditkarte und Lastschrift begleichen können. Papierstapel und Metallstücke mit sich herumzuschleppen, scheint da eine anachronistische Sache zu sein. Softwarehersteller wie INDAL sollte das freuen, denn elektronischer Zahlungsverkehr ist ein interessanter Teil der Programmierung automatisierter Geschäftsprozesse und wichtiger Gegenstand für Auswertungen und Analysen, die mit Individualsoftware umgesetzt werden können.
Aber der prinzipielle Verzicht aufs Bargeld würde uns wieder ein bisschen abhängiger machen vom Funktionieren der elektronischen Infrastrukturen. Und die sind niemals ganz ausfallsicher. Schon heute malt sich kaum jemand aus, welche Folgen ein großflächiger Stromausfall über mehr als drei Stunden auf unser Leben hätte. Wenn eine Störung im Netzwerk der Banken und Clearingstellen kann schon jetzt die Freunde von Plastikgeld vor riesige Probleme stellen.
Wir wären gezwungen uns in dem Radius zu bewegen, den die Netzwerke uns zubilligen. Zwar hat heute schon fast jede Alpen-Berghütte einen Anschluss an die Zahlungssysteme, aber auch in Europa gibt es noch Gegenden, für die das nicht gilt. Die Angst vor der vorrübergehenden Zahlungsunfähigkeit würde uns vom Besuch aller Gegenden abhalten, in denen eine Netzwerkverbindung nicht garantiert werden kann.
Hinzu kommt, dass ich gar nicht will, dass jede Zahlung, die ich tätige, auf einem Kontoauszug auftaucht. Man muss gar nicht die große Überwachungsbedrohung an die Wand malen, um beim Gedanken an die Konsequenzen zu erschauern. Will ich, dass meine Frau genau weiß, was mein letzter Friseurbesuch gekostet hat, oder wie oft ich pro Woche eine öffentliche Toilette aufgesucht habe? Will ich wissen, wann und wo ich sie mein Weihnachtsgeschenk gekauft hat, und wie viel Trinkgeld sie dem Barmann gab? Nein!
Geld, das ich mit mir herumtragen kann, macht mich unabhängig. Der Verzicht aufs Bargeld wäre ein Verzicht auf Freiheit. Wer hin und wieder die festen Netze der technischen Welt verlassen will, und wer sich einen Rest von Undurchschaubarkeit bewahren möchte, der braucht diese Scheine und das Klimpern im Portemonnaie.