Im Prozess der Anforderungsanalyse müssen wir zwei Handlungskomplexe unterscheiden:
1. Die eigentliche Anforderungsentwicklung, in deren Verlauf aus Problemen und Zielen plausible und valide Anforderungsdokumentationen spezifiziert werden
2. Das Anforderungsmanagement, in welchem sozusagen auf einer übergeordneten Handlungsebene die Pflege, Versionierung und Weiterentwicklung von Anforderungsspezifikationen während des Gesamtprojektes betrieben wird.
Anforderungsmanagement
Zum Anforderungsmanagement gehört zunächst die Definition der verschiedenen Verfahren, welche im Gesamtprozess der Anforderungsanalyse zum Einsatz kommen. Hierzu gehören insbesondere das Anforderungsentwicklungs- und das Änderungskontrollverfahren.
Ein weiterer Schwerpunkt ist das definieren der Anforderungsbaseline sowie das Änderungsmanagement (Versionierung, Änderungskontrollgremium, Statusüberwachung).
Anforderungsentwicklung
Im Mittelpunkt der Anforderungsentwicklung steht die Kommunikation zwischen dem, der die Anforderung stellt und dem, der sie zu analysieren, zu objektivieren, zu strukturieren und zu dokumentieren hat – dem Anforderungsanalysten. Die Bedeutung der Kommunikation ist dabei nicht zu unterschätzen. Aus der großen Bedeutung der Kommunikation für das Erstellen optimaler Anforderungsspezifikationen ergeben sich zwei entscheidende Bedingungen:
1. Anforderungssteller und Anforderungsanalyst müssen eine gemeinsame Sprache sprechen.
2. Anforderungssteller und Anforderungsanalyst müssen vor allem viel Zeit in die Anforderungsanalyse investieren.
Die Anforderungsentwicklung kann – entsprechend der oben genannten Tätigkeiten des Analysten – im wesentlichen in vier Phasen unterteilt werden: Erhebung, Analyse, Spezifikation und Validierung.
Ein gut strukturiertes und definiertes Anforderungsmanagement ist Voraussetzung für erfolgreiche Anforderungsentwicklung. Zu Beginn des Projektes wird das Anforderungsentwicklungsverfahren definiert, dies ist genau genommen ein Bestandteil des Anforderungsmanagements. Wenn Standards im Unternehmen definiert sind, sind diese auf ihre Anwendbarkeit und Aktualität zu prüfen.
Vor der eigentlichen Erhebung steht die Benennung Anspruchsgruppen und die Auswahl von geeigneten Repräsentanten für die Durchführung der Anforderungsanalyse, insbesondere die Anspruchsgruppe der Benutzer ist dann weiter zu differenzieren, Benutzerklassen werden gebildet und Produktchampions identifiziert.
Neben der Durchführung spezieller Veranstaltungen (Interviews, Workshops) gehören auch das Studium von Dokumenten und die Beobachtung der Benutzer bei der Arbeit zur Anforderungserhebung.
Unter Analyse verstehen wir hier das Sichten, Strukturieren, Klassifizieren und Objektivieren der erhobenen Fakten. Mit einem aus der Meteorologie übernommenen Begriff können wir diese Phase auch als Synopsis (Zusammenschau) bezeichnen. Das Ergebnis sind insbesondere die identifizierten Anwendungsfälle.
Bei der Spezifikation kommen die verschiedenen Modellierungsansätze zum Einsatz. Neben weiter ausgeprägten Anwendungsfalldokumentationen entstehen hier Prozess- und Objektmodelle sowie logische Datenmodelle und (Papier-)Prototypen.
Bei der Validierung steht wiederum die Kommunikation mit den (Vertretern der) Anspruchsgruppen im Vordergrund. Anforderungstests werden durchgeführt, die Spezifikationen werden nach formalen und inhaltlichen Kriterien bewertet.