Die Sprache der Spezifikation

Wenn Sie mit einem ausländischen Software-Lieferanten zusammenarbeiten, z.B. in einem Offshore-Projekt mit einem indischen Unternehmen, dann stellt sich irgendwann im Rahmen des Projekt-Designs die Frage, in welcher Sprache die Spezifikationen geschrieben werden sollen – Deutsch oder Englisch.

Sie könnten sich auf den Standpunkt stellen, dass die Projektsprache die Sprache des Auftraggebers ist und dass das eventuelle Risiko einer notwendigen Übersetzung vom Auftragnehmer zu tragen ist – so etwas kann man vertraglich vereinbaren. Gerade, wenn der Auftragnehmer eine starke deutsche Präsenz hat, wird auf Auftraggeberseite oft dieser Standpunkt vertreten.

Sie können auch den Standpunkt einnehmen, dass das Englische ohnehin die Sprache der IT-Welt ist und deshalb alle Spezifikationen in dieser Sprache abgefasst werden sollen.

Beide Standpunkte haben Nachteile.

Die vertragliche Vereinbarung, dass die Verantwortung für die richtige Übersetzung beim Lieferanten liegt, verhindert natürlich nicht, dass der Kunde ein Risiko trägt, das daraus resultiert, dass aufgrund von falschen Übersetzungen eine Software geliefert wird, die den Anforderungen nicht entspricht.

Andererseits ist es nun einmal Fakt, dass Deutsch-Muttersprachler Schwierigkeiten mit dem exakten und eindeutigen Schreiben und Lesen von englischen Texten haben, zumal es hier nicht darum geht, einen Zeitungsartikel oder einen Film-Dialog sinngemäß zu verstehen.

Welche Lösung optimal ist, hängt vom jeweiligen konkreten Projektdesign ab, vor allem davon, welche Spezifikationstypen von welcher Seite verantwortet werden und wer welche Vorgaben un Richtlinien bereitstellt. Als grundsätzliches Modell sollte jedoch angestrebt werden:

  • Kein Dokument wird in zwei Sprachen gepflegt, es gibt, wenigstens als vertragsrelevanten Lieferbestandteil, kein zweisprachiges Dokument. Somit gibt es keine Diskussion darüber, ob das deutsche Dokument exakt die gleichen Inhalte hat wie das englische.
  • An der Sprachgrenze sollte ein deutschsprachiger Spezifikations-Autor stehen, der zur „IT-Welt“ gehört. Dieser Autor schreibt ein englischsprachiges Dokument, welches auf einer deutschsprachigen Quelle basiert.

Beispiel: Der Anforderungsanalyst (der vielleicht zur Fachseite gehört) schreibt ein deutschsprachiges Fachkonzept. Sein Kollege von der IT-Abteilung schreibt darauf basierend ein englischsprchiges DV-Konzept. Er ist in der Lage, die Inhalte dieses Dokuments seinem Kollegen auf der Fachseite zu erläutern und Unklarheiten zu präzisieren. Der englischsprachige Lieferant erstellt auf dieser Basis das englischsprachige Softwaredesign.

Natürlich ist die Entscheidung nicht immer so leicht, wie es nach diesem kleinen Beispiel den Anschein haben könnte. Unter Anderem ist auch zu berücksichtigen, wer für welche Testphase verantwortlich ist und in welcher Sprache somit die Testfälle zu dokumentieren sind. Die genannten regeln stellen nur einen Grundansatz dar, der im konkreten Umfeld auszugestalten ist.