IT-Projekte und der Kampf der Kulturen

IT-Projekte haben viel mit Kultur zu tun, komplexe IT-Projekte sowieso. Zum einen ändert jedes Projekt die Unternehmenskultur: Was früher manuell gemacht wurde, wird nun automatisiert, persönliche Gespräche werden durch Online-Formulare ersetzt, flexible und nicht klar definierte Prozesse werden standardisiert. Des Weiteren prallen in einem IT-Projekt immer zwei sehr unterschiedliche Kulturen aufeinander: die der Fachseite und die der IT. Drittens werden im Rahmen von großen IT-Projekten häufig externe Dienstleister „ins Boot geholt“. Eine enge Kooperation mit einem Unternehmen, das hinsichtlich Größe, Geschäftsmodell, Entscheidungs- und Arbeitsprozessen völlig anders aussieht als das eigene, ist notwendig. Zunehmend sind diese Unternehmen nicht einmal mehr im gleichen Land angesiedelt, zu Unterschieden in der Unternehmenskultur kommen dann noch sprachliche Barrieren und Differenzen in den gesellschaftlichen Traditionen, die auf die Projekt-Kommunikation zumindest indirekt Auswirkungen haben können.

Kultur ist etwas, was jemand erwerben kann durch Gewöhnung und Training, durch Vorbild und Nachahmung, und zwar vor allem dann, wenn in einem bestimmten Umfeld alle, die sich schön länger darin befinden, dieses Verhalten an den Tag legen. Kultur ist aber immer auch dadurch bestimmt, dass es Menschen gibt, die sich anders verhalten, die eine andere Kultur haben. Sonst wäre das, was wir da beobachten, natürliches Verhalten. Alles, was ein spezielles Training erfordert, was deshalb nur ein bestimmter Teil unserer kulturellen Gemeinschaft gewohnheitsmäßig zustande bringt, ist Kunst oder Künstlichkeit.

Für ein IT-Projekt besteht also die kulturelle Herausforderung zum einen darin, dass es die Gewohnheiten, die erworbenen, aber längst schon nicht mehr hinterfragten selbstverständlichen Verhaltensweisen mehr oder weniger gewaltsam verändert werden und dass wir zum anderen innerhalb eines Projekts notwendigerweise mit anderen Kulturen konfrontiert werden: sei es, dass der Fachabteilung das Auftreten und die Verhaltensweisen der Mitarbeiter der IT-Abteilungen fremd sind oder dass externe Dienstleister ins Unternehmen kommen, die zumindest eine andere Unternehmenskultur verinnerlicht haben, vielleicht aber auch eine andere Sprache sprechen oder sogar aus völlig anderen Kulturkreisen mit ganz anderer Geschichte, ganz andern Werten oder Traditionen kommen.

Die Wirkungen, die kulturelle Unterschiede auf den Projekterfolg haben, sind niemals direkt und klar vorhersehbar. Kulturbarrieren beeinflussen die Kommunikation – und das auf eine Weise, die den Betroffenen im Allgemeinen nicht bewusst ist. Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede, die augenfällig sind, das beginnt bei unterschiedlichen Arbeitszeiten, Kleidungsgewohnheiten, Umgangsformen und endet vielleicht bei unterschiedlichen Muttersprachen. Was uns aber meist nicht bewusst ist, sind die Wirkungen, die solche Unterschiede auf unser Wertesystem und damit auf unsere Bereitschaft, den anderen als Partner zu akzeptieren, haben.