“Wir brauchen einen neuen Shop” sagt der Auftraggeber, ein mittelständischer Logistikanbieter, der so genannte C-Artikel für Großunternehmen bereithält. Vor vielen Jahren war eine einfache Web-Lösung erstellt worden, ein Portal, in dem die Kunden sich anmelden konnten und die Artikel, die sie immer wieder brauchten, suchen und bestellen konnten.
Im Laufe der Jahre war ein ausgeklügeltes Preisberechnungsverfahren, dass die speziellen Konditionen jedes Kunden berücksichtigte, hinzugekommen, ebenso spezielle Einschränkungen, die es einzelnen Mitarbeitern nur gestatteten, bestimmte Artikel in genau definiertem Umfang zu bestellen.
So steckte viel Kernkompetenz des Logistikers in der Lösung, aber die Oberfläche war längst nicht mehr “State of the Art”. Die Kunden waren inzwischen durch die Möglichkeiten großer Publikums-Shops verwöhnt, komfortable Suchmöglichkeiten, eine moderne Oberfläche und intuitive Bestellabwicklung mussten her.
Kein “Schnick-Schnack”
Es wäre ganz falsch, solche Wünsche beiseite zu wischen und zu argumentieren, das System biete doch so viele Funktionen, die kein bekannter Shop hat oder benötigt, das würde die unmoderne Benutzeroberfläche aufwiegen. Dass der Benutzer mit dem System wirklich effektiv arbeiten kann, hängt ganz stark davon ab, dass er intuitiv damit zurecht kommt – und diese Intuition bekommt der Benutzer, wenn er Bücher, Tickets und Fahrkarten in den einschlägigen Shopsystemen des Internet bestellt.
Nun gibt es eine Reihe von Werkzeugen, die die erwartete Shop-Funktionalität mehr oder weniger gut bereitstellen, einige davon sind sogar frei verfügbar. Es stellt sich also die Frage, ob ein solches Werkzeug verwendet und angepasst werden sollte, sodass die Funktionen des alten Bestellsystems, möglicherweise verbessert, wieder bereitstehen, oder ob auf der Basis des alten Systems ein Modernisierungsprojekt gestartet wird.
Welche Entscheidung die richtige ist, hängt natürlich von den Details des Einzelfalls ab. Verwendet man eine Standard-Lösung, besteht immer die Gefahr, dass man sich von den vielen Features blenden lässt und den Aufwand unterschätzt, die vielen individuellen Regeln, die das Tagesgeschäft braucht, in das System zu integrieren. Oft wird das eine oder andere vergessen – und der Verlust wird erst schmerzlich bemerkt, wenn das neue System in Betrieb genommen wird.
Die Verwendung eines Standard-Systems hingegen hat den Vorteil, dass erprobte und vertraute Verfahren für Standard-Abläufe zum Einsatz kommen. Häufig stellt sich allerdings während des Projekts heraus, dass die Abläufe im eigenen Geschäftsprozess dann hier und da doch nicht so standardisiert sind – und auch nicht sein sollen.
Letztlich kommt es immer drauf an, ob das System die Kernkompetenzen des Unternehmens unterstützen soll oder eher ein notwendiges Beiwerk betrifft. Ist letzteres der Fall, dann genügt eine Standard-Lösung. Gilt es aber, das Kerngeschäft abzubilden, dann macht Individualität stark, denn die unterscheidet uns vom Wettbewerb.